boris petrovsky

die drei kammern – festival #2
www.petrovsky.de

boris_petrovsky

die grelle Kammer
Pfarrkirche St. Hippolyt – St. Pölten | Aluminium, tiefschwarze Farbe, Stahlseil, 6 LED-Strahler mit je 500 W, Wellschlauch, Luftpumpe, elektrische Energie

Ein tiefschwarzer Würfel mit einer Kantenlänge von 1,35 m scheint auf der Spitze stehend in der Luft zu schweben. Das Raummaß dieser »Black Box« ist so bemessen, dass ein Mensch sich darin aufhalten könnte. Die tiefschwarze Farbe schluckt das Licht, das von außen auf den Würfel fällt. Er erscheint reflex-, schimmer- und schattenlos, ohne räumliche Ausdehnung. Seine Körperlichkeit entzieht sich. Im Inneren des geschlossenen Würfels befindet sich an jeder der sechs Wände ein LED-Fluter mit gleißend-kaltweißem Licht, das alle Ecken ausleuchtet und von dem nichts nach außen dringt.

Hier ist etwas Vertrautes verkehrt. Es widerspricht den gewohnten Erfahrungen. Für wen oder was leuchtet hier Licht? Leuchtet es überhaupt oder ist es nur eine Behauptung? Ist das Objekt schlicht ein Lichtspeicher? Ein Datenspeicher? Eine Codierungsmaschine? Ein Schildbürgerstreich? Weder das Licht, das von außen auf das Objekt fällt, noch das in seinem Inneren strahlt, trägt technisch-funktionalen oder weltanschaulichen Erwartungshaltungen Rechnung. Licht, Schatten, Dunkelheit verstülpen sich ineinander und die mit ihnen verknüpften Vorstellungen von Raum und Zeit, von Wirklichkeit und Wahrheit. Der Licht-Dunkel-Dualismus wird hier prekär und mit ihm seine Metaphern.

 

die matte kammer
Festivalstadel | Cluster-Objekte

die wunderkammer
Stadtmuseum | Cluster-Objekte

Petrovskys Cluster-Objekte bestehen aus fragmentierten Leuchtschriften, aus erloschenen und aufgelösten oder gewandelten Zusammenhängen, aus der Sphäre der großen Erzählungen im Reizflimmern ihrer Versprechungen. Der lumineszente Schimmer ihrer Neonröhren besteht aus sich stets verändernden, gleichzeitig anwesenden Licht- und Schattenübergängen.

Die Objekte bestehen aus vorgefundenem Material und neu hinzugefügtem. Als ein Gerinnsel im Flux der Zeichenströme und Codes führen sie ein Eigenleben. Sie überlagern und verknüpfen sich als Akkumulation, Assemblage und Netzwerkstruktur zu räumlichen Chiffren, die an technische Symbole und Labor­aufbauten erinnern oder an fremdartige, futuristische Zeichen und Artefakte. Die Cluster sind prinzipiell variabel, schnell wieder auflösbar, neu konfigurier- und verknüpfbar und in sich fragil stabilisiert. Sie befinden sich in Zuständen zwischen Komposition und Dekomposition, Konstruktion und Dekonstruktion, Versprengung und Verdichtung, zwischen Einzelelement und Gruppierung, Halbzeug und Fertigprodukt. Die Clusterung ist ein wiederkehrendes Prinzip in Petrovskys Arbeit. Als Cluster-Objekte entstehen seit 2003 vor allem Lichtobjekte, die auch in größeren Arbeiten aufgehen oder daraus hervorgehen können, zwischen einer »interaktiven Verflüssigung« als Matrix wie bei »You&Me-isms« oder und objekthaften Manifestationen wie im »Urbanen Unterholz«.

Boris Petrovsky lebt und arbeitet in Konstanz. Er studierte Produktdesign und Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt er sich mit den Zusammenhängen von Vorstellung und Zeichen, Begriff und Objekt in einer hypermedialisierten Welt. Die Untersuchung von Wirklichkeitsmodellen prägt seine Objekte, performativen Installationen und szenischen Konstellationen. Über Licht, Sound, Kinetik und Netzverbindungen werden Boris Petrovskys Arbeiten zu idiosynkratischen Informations- und Kommunikationsprozessoren. Seine Kunst operiert gattungs- und zustandsüber­greifend zwischen Werk, Werkzeug und Rohmaterial, zwischen Chaos, Cluster und Gestalt, zwischen technotopischen Allmachtsfantasien, profanem Alltag und feedbackoptimierter Ohnmacht, zwischen Illusion, Manipulation und Konspiration. Von ihren komplexen Ansätzen her, ihrer Entstehung, als auch von der Wirkästhetik sieht Petrovsky seine künstlerischen Arbeiten auch als »gebaute Filme«.

Petrovskys Cluster-Objekte bestehen aus fragmentierten Leuchtschriften, aus erloschenen und aufgelösten oder gewandelten Zusammenhängen, aus der Sphäre der großen Erzählungen im Reizflimmern ihrer Versprechungen.

boris_petrovsky
boris_petrovsky_die wunder ammer
boris_petrovsky_die_matte_kammer