programm festival #3

14. und 15. Oktober 2022 • 19:00 - 23:00 Uhr

outside

// Jahnhalle

ruestungsschmie.de: „XYZ³“
Videoinstallation

ruestungsschmie.de

// Marienplatz

Philipp Geist: „WIR – Weilheim“
Videoinstallation
Musik: Lukas Taido und
Weilheimer Chorkreis (1844) e.V.
Live Performance: 20:15 | 21:15 | 22:15

videogeist.de

// Städtische Musikschule

Teresa Mar: „Radiance“
Lichtprojektion

teresamar.com

// Stadttheater

Julian Mayer:
„aus meiner glühenden mitte“
Lichtinstallation

www.atelier-hybride.com

// Stadtmauer am Riß

Romain Tardy: „Future Ruins – Act II”
Modulare Licht- und Soundinstallation

romaintardy.com

inside

// Zwischenraum

Vorträge & Künstlergespräche
Freitag: 15:30, 20:00
Samstag: 15:30, 17:30, 20:00

Mittelschule Weilheim: Lichtskulptur

lichtkunst weilheim e.V: Infopoint und Begegnungen

 

// Stadtmuseum

Ausstellung
täglich 10 – 17 Uhr
bis zum 12.11.2022

fotos & videos

Fotos und Videos zum Festival

programmheft

Programmheft als PDF-Datei herunterladen

rückblick festival 2022

von Tina Birke

Kunsthistorikerin M.A.

Am Wochenende des 14. und 15. Oktober 2022 lockte lichtkunst weilheim – festival #3 an die 14.000 Besucherinnen und Besucher in die Weilheimer Altstadt. Ein Kunst- und Kulturereignis, das mittlerweile weit über die Landkreisgrenzen hinaus von sich reden macht und jedes Mal wieder neue Interessierte anlockt.  

Sieben international tätige Künstlerinnen und Künstler verwandelten fünf geschichtsträchtige Orte der Altstadt in einen Rundweg aus hochkarätiger Videokunst.

Der künstlerische Leiter, Philipp Geist kuratierte mit Präzision die einzelnen Sound-, Video- und Lichtinstallationen, die an der alten Stadtmauer Am Riß, der städtischen Musikschule, dem Marienplatz mit Museum und Glockenturm der Stadtpfarrkirche und dem Stadttheater zu sehen waren. Zum ersten Mal wurde auch die etwas entferntere Jahnhalle bespielt, deren Ostfassade Projektionsfläche für ein Videomapping wurde. Jeder Ort war mit viel Fingerspitzengefühl passend zu den jeweiligen Kunstschaffenden ausgewählt worden, die sich wiederum mit der Geschichte und Architektur „ihres“ Platzes intensiv auseinandersetzten.

 

Wie bereits bei den vorangegangenen beiden Malen setzte Julian Mayer auch beim festival #3 das „Herz“ des Lichtkunstgeschehens in Szene. In diesem Jahr war der Ort der Kunstvermittlung nicht mehr der zu den ersten beiden Festivals genutzte Stadl, sondern das Stadttheater, das zum Zentrum für Vorträge, moderierte Künstler:innengespräche und für die Auftaktveranstaltung wurde. In seiner unverkennbaren Art hüllte Mayer das Bauwerk in ein kontemplativ leuchtendes, statisches Rot. Durch seine Installation mit dem Titel „…aus meiner glühenden Mitte“ setzte er erneut den Kontrapunkt zu all den anderen Lichtkunstwerken, die in diversen Tempi mit Licht- und Soundeffekten arbeiteten.

 

Die Vielfalt von Licht im Theater und in der Kunstgeschichte bildete auch das Intro in die Einführungsvorträge von Jasmin-Bianca Hartmann, deren Text von der Schauspielerin Anna Soibert jeweils im Vorfeld der Kunstgespräche vorgetragen wurde. Zum Festivalbüro sowie als Ort für Informationsaustausch und Begegnungsstätte mit den teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern wurde der ZwischenRaum am Kirchplatz. Hier präsentierte  auch die Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule ihr Lichtobjekt. Sechs Schülerinnen der achten Jahrgangsstufe konzipierten und realisierten mit professioneller Unterstützung des Künstlers László Rácz ein eigenes Lichtkunstwerk. Rácz, der durch farbintensive Acrylmalerei den Weg in die Kunst fand und sich durch seine langjährige berufliche Erfahrung in einem Planungsbüro für Beleuchtungstechnik nun auf die Konzeption von Lichtobjekten und extravaganten Lampen aus alten Leuchtmitteln und elektrotechnischen Bauelementen spezialisiert hat, war prädestiniert, den Schulworkshop zu begleiten.

Nach einem ersten Brainstorming mit den Schülerinnen im Mai war die Idee schnell gefunden. Es sollte ein „Lichterbaum“ aus recycelten Materialien entstehen. Bei zwei weiteren Treffen im Juni und Juli wurde die Idee konkretisiert und nach Material recherchiert, wobei sich Abfallmaterialien aus einem Firmencontainer und das Materiallager des Künstlers als kreative Fundgrube erwiesen.

Drei arbeitsreiche Tage im Juli dienten der Konstruktion und Umsetzung der Idee.

Aus silbernen Lochblechen wurden Stamm und Äste geformt und verschraubt. Ein Baustrahler im Fuße des Stammes bildete die Grundbeleuchtung, während durch die Äste eine 20 Meter lange Lichterkette gefädelt wurde. Durch die Bohrungslöcher der Blechkonstruktion strahlte der Baum von innen heraus. Um die Lichtspiegelungen zu verstärken, wurden Details aus zerbrochenen Solarpanelen an den Ästen aufgehängt. Der Stamm erhielt aus alten Tonbandspulen und Steinen eine Einfassung. Nach fachgerechter elektrischer Abnahme präsentierten die Schülerinnen in einer kleinen Vernissage ihr Projekt.

Die Leuchtskulptur war während des gesamten Lichtkunstfestivals zu sehen und soll nun einen permanenten Platz im Lichthof der Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule finden.

 

Das Künstlerduo ruestungsschmie.de, zu dem sich die beiden Architekten Philip Schambelan und Michal Banisch zusammengeschlossen haben, bespielte die Ostseite der Jahnhalle mit einem fulminanten, extra für diesen Ort geschaffenen Videomapping. Die architektonische Schlichtheit dieses Funktionsbaus aus den 1970er Jahren wurde in ihrem Werk mit dem Titel „xyz3“ ad absurdum geführt.

Seit dem Gründungsjahr 2010 tragen alle ihre Werke Titel mit dem Zusatz „Hoch3“. Dies sei bezeichnend für den „Dreiklang“ ihrer analytischen Herangehensweise, die Architektur in ihre Einzelteile zerlegt, in den Kontext ihres Umfeldes setzt und neu strukturiert. Dabei ist das Ziel und die Faszination ihrer Arbeiten immer das Chaos, so Schambelan.

Auch ihr Werk „xyz3“ unterliegt in seiner visuellen Bildgewalt dieser dreifachen Unterteilung. Die Kapitel lauten: Mikro / Makro, Minimal / Komplex und Komposition / Dekonstruktion. Die immersive Zugkraft des Werks entsteht durch den radikalen Schwarz-Weiß-Purismus aus Linie und Form, die mit den Elektrobeats von ZIRQULE um die Wette pulsiert. Zu den sich immer weiter steigernden grafischen Eindrücken zieht ab und an ein Farbrauschen vorbei, das an das Farbspektrum des ehemaligen Universal-Testbildes erinnert, das in den 1950er Jahren für die ARD konzipiert wurde und bis in die 1990er Jahre in den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen nach Sendeschluss zu sehen war. Der sonst im Stadtbild untergeordnete Ort an der Jahnhalle bekam so eine völlig neue Präsenz und die Schauplätze des Lichtkunstfestivals wurden um einen neuen Ort erweitert.

 

In der modularen Licht-und Soundinstallation „Future Ruins – Act II“ bespielte Romain Tardy den Grünstreifen vor der alten Stadtmauer Am Riß. Seine poetisch-minimalistische Installation setzte sich aus einer Reihe von geometrischen Grundformen in Form von weiß leuchtenden LED-Röhren zusammen, die lose vor der Stadtmauer arrangiert wurden.

Diese Neukomposition eines Werkes aus dem Jahr 2016 nahm mit seinem architektonischen Vokabular Formen umliegender Architektur auf. Türen, Dachgiebel und Fenster, übersetzt in eine Art Zeichencode von Dreiecken, Pyramiden, Rechtecken und Linien, schlossen zur sphärischen Komposition von Loran Delforge meditativ die Frage des Titels auf: Was wird bleiben?

Seit 2003 beschäftigt sich die Künstlerin Teresa Mar mit der digitalen Bearbeitung von ihr gestalteter Collagen. „Radiance“ nennt sie ihre Arbeit, die sie zum festival #3 präsentierte. Eine Abfolge von sechs Bildern, die analog über einen „Dia-Projektor“ auf die Musikschule in Weilheim projiziert wurden. Man brauchte Zeit und Ruhe, um sich auf die farbgewaltigen, langsam wechselnden Bilder als Betrachter einzulassen, und genau das ist Sinn und Zweck ihrer Kunst. Ihre zeitintensive Arbeitsweise soll auf diese Art erfahrbar werden. Der Bildaufbau erfolgt aus Bildern digitaler Massenmedien, die in unzähligen Schichten collageartig übereinandergelegt und zum Teil auch wieder abgetragen werden. So entstehen abstrakte Farbräume, die in einigen Details auch Gegenständliches erkennen lassen. In „Radiance“ sind dies unter anderem eine Felsenlandschaft, der „Goldene Vogel“, Menschen, Akrobaten – geheime Codes bestehend aus sieben Elementen, die sie immer und immer wieder in ihrem Œuvre verarbeitet.

Der intensive Entstehungsprozess spielgelt sich auch in der Darstellungsform wieder, wobei drei Elemente aufeinandertreffen: Lichtkunst als eine Melange aus Zeit, Licht sowie Welle und Teilchen, in der jedes Element seine eigene Relevanz besitzt. Auch Mars emotionalen Bezug zur Bedeutung des Gebäudes als ehemaligem Gefängnis und heutiger Musikschule nutzt sie für sich. Die Spannung, die sich aus dieser konträren Bestimmung ergibt, nimmt sie auf und übersetzt sie in ihre eigene Bildsprache. Klang und Farbe ergeben dabei geradezu synästhetische Effekte.

„Die Collage und in der Folge das digitalisierte Bild ermöglichen mir eine von Bildern bestimmte medialisierte Wirklichkeit widerzuspiegeln“, so Mar und gibt die schönste Erklärung auf die Frage, warum sie gerade Lichtkünstlerin geworden ist, gleich mit dazu: „Weil ich unsichtbar sein möchte“.

 

Der Mit-Initiator, künstlerische Leiter und international ausgezeichnete Künstler Philipp Geist schuf mit seinem kongenialen Kompositionspartner Lukas Taido das wohl vielschichtigste und persönlichste Werk für die Stadt. Zum festival #3 bot er in seiner Arbeit „Wir –Weilheim“ ein Zusammenspiel aus digitaler Projektion und analoger Performance von Weilheimer Bürgerinnen und Bürgern.

Der digitale Teil erschloss sich, wie schon die Jahre davor, auf dem Marienplatz, den flankierenden Hausfassaden, dem Stadtmuseum und dem Kirchturm der Stadtpfarrkirche. Über einen Zeitungsaufruf waren die Weilheimer:innen aufgerufen worden, sich fotografieren zu lassen. So schwebten nun unzählige Portraits von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Abbildungen historischer Personen über die Hausfassaden des Marienplatzes. In Verbindung mit farbenprächtigen abstrakten Malereien wurde im digitalen Verwandlungsprozess die Vielfalt der Stadt und ihre Geschichte sichtbar.

Die zweite Ebene bildete eine Live-Performance des Weilheimer Chorkreises (1844) e.V. unter der Leitung von Elisabeth Reitzer und mit einer für Weilheim geschaffenen Komposition von Lukas Taido.

Auf der Bühne vor dem Museum sowie aus den geöffneten Fenstern des Museums schallte es von etwa 30 Sängerinnen und Sängern in die Abendluft. Texte des 1893 in Weilheim geborenen Musikkritikers und Lyrikers Wilhelm Eduard (Willi) Schmid, der 1934 durch eine tragische Verwechslung dem Röhm-Putsch der Nationalsozialisten zum Opfer fiel, vertieften die komplexe Performance zusätzlich.

 

Die Vielfalt und Vielschichtigkeit zeitgenössischer Lichtkunst sorgte auch in der Zusammenschau 2023 wieder für eindringliche Erlebnisse. Die Stadt wurde dabei selbst mit ihrer Architektur, ihren Menschen und Geschichten zur Projektionsfläche und auf einzigartige Art und Weise neu erfahrbar. Die Kunst und Kultur international agierender und renommierter Lichtkünstler gab erneut innovative Anstöße, tradierte Sichtweisen des täglichen Lebensumfeldes zu durchbrechen und sich neu inspirieren zu lassen. Auf ein Neues in 2025?