programm festival 2016
14. und 15. Oktober 2016
outside
// Stadtmauer Mittlerer Graben
Robert Seidl
Projektion
// Städtische Musikschule
Slidemedia/Fausto Morales
Videomapping
Sound: Jorge Ramirez-Escudero
// Linderstadel
Julian Mayer:
„aus meiner glühenden mitte“
Fassadenilluminierung
inside
// Festivalstadel
Vorträge
Künstlertalks
Treffpunkt für Führungen
Festivalshop
Programmheft als PDF-Datei herunterladen
Fotos und Videos zum Festival
rückblick festival 2016
von Jasmin-Bianca Hartmann
Kunsthistorikerin M. A.
International bekannte Licht- und Medienkünstler verwandelten die Weilheimer
Innenstadt am 14. und 15. Oktober 2016 in einen vielfältigen Lichtparcours.
An insgesamt sechs Standorten entstand ein flüchtiger Dialog mit dem Ort.
Tausende Besucher verweilten während der beiden Herbstabende vor und in
den großformatigen Lichtinstallationen von Philipp Geist, Fausto Morales
und Robert Seidel. Darüber hinaus waren Arbeiten von Julian Mayer, Marten
Georg Schmid und Frank Fischer zu bestaunen.
Der ansonsten nicht zugängliche Lindnerstadl wurde vom Lichtkunst Weilheim
e. V. zur Basis des Festivals erklärt – ein Heimspiel für den künstlerischen
Leiter Philipp Geist, der zum damaligen Zeitpunkt vor genau zwanzig Jahren
seine erste Ausstellung in eben diesem Gebäude zeigte. Diesmal gab es hier
jedoch vor allem Vorträge, Künstlergespräche und Musik. Es fungierte als
Treffpunkt für die Lichtkunst-Führungen und in seinem Innern fanden weitere
Werke der Künstler in Form von Screenings ihren Platz.
Julian Mayer, Architekt und Künstler aus München, installierte an den beiden
L.ngsseiten des Lindnerstadl Scheinwerfer und stattete diese mit roten
Theaterfiltern aus: transparente Kunststofffolien, die das ursprünglich weiße
in farbiges Licht verwandelten. Durch diesen dezenten Eingriff tauchten die
Leuchtkörper die Fassade in ein intensives Rot, das sich wiederum selbst wie
eine durchlässige Folie über die historische Gestalt des Gebäudes mit all
seinen Tuff- und Ziegelschichten legte. Die Betrachtenden fühlten sich an den
wohligen Schein einer wärmenden Rotlichtlampe erinnert, zugleich wurde
das Scharfstellen der Augen auf die Probe gestellt – obwohl sich das Werk
selbst nicht in Bewegung befand. Mit minimalistischen Mitteln schuf Mayer
so ein in sich ruhendes Festivalzentrum, in dessen Innern der Gedankenaustausch
pulsierte.
Die dreieinhalbminütige Videoprojektion mit dem Titel »vitreous« (dt. glasartig)
des Berliner Künstlers Robert Seidel auf die Fassade der historischen Stadtmauer
Am Riß lebte von ihrer stetigen Veränderung. Neun sich durchweg im
Werden und Vergehen befindliche ›virtuelle Skulpturen‹ wanderten zu den
elektronischen Klängen von Nikolai von Sallwitz über die 50 Meter lange
Projektionsfläche. Viele der Betrachtenden verharrten zunächst in größerer
Distanz vor diesem riesigen, sich wie von selbst bewegenden ›Gemälde‹.
Durch die charakteristische Beschaffenheit der Mauer aus dem 14. Jahrhundert
und die Zweige eines vorgelagerten Baumes entstanden zusätzliche Akzente
und Bildebenen. Seidels Werke spannen sich vielfach zwischen den Themen
Kunst, Natur und Technik auf. So zeigte sich auch »vitreous« als ein sich ständig
im Fluss befindliches Kräftefeld aus Farben und Formen, Linien und Körpern,
das gleichsam an (für das bloße Auge unsichtbare) physikalische und biologische
Prozesse denken ließ.
Fausto Morales und das spanische Kreativkollektiv Slidemedia entwickelten
gemeinsam mit dem Komponisten und Sound-Designer Jorge Ramirez-Escudero
eine inhaltlich und formal auf die Geschichte der Städtischen Musikschule
zugeschnittene 3D-Videomapping-Projektion. »Zeige deine Wunde« (Show
your wound) versinnbildlichte im ersten Videoabschnitt die Vergangenheit des
Gebäudes, das noch bis 1992 als Justizvollzugsanstalt diente. Der gewählte
Titel referierte bewusst auf die künstlerische Intention von Joseph Beuys, der
1974/75 sein Environment »Zeige deine Wunde« im Lenbachhaus in München
installierte. Durch die Umfunktionalisierung und Verwandlung des Weilheimer
Gefängnisses in einen kreativen Ort der Musik setzte sich schließlich die regenerative
Kraft der Kultur durch. Entsprechend löste der zweite Teil der
Projektion die zunächst vorherrschenden monochromen, harten Formen und
Klänge durch farbenfrohe, fließende, harmonische Bilder und Töne ab. Nach
jeder zehnminütigen ›Vorführung‹ ertönte Beifall. Die BesucherInnen staunten
über die sowohl abstrakten als auch illusionistischen Eigenschaften des
Mediums Licht, welches die Oberfläche der Städtischen Musikschule in so
manchem Moment gehörig aus ihren Angeln hob.
In die audiovisuelle Lichtkunst-Installation »Weilheim Drifts« von Philipp
Geist auf dem Marienplatz konnten die BesucherInnen schlie0lich komplett
eintauchen. Untermalt wurde die ›begehbare Lichtskulptur‹ durch Musik von
Martin Gretschmann, einem Urgestein der Weilheimer Indie-Szene. Mit
Hochleistungsbeamern und Nebelmaschine bespielte Geist einen Großteil
des Weilheimer ›Herzstücks‹ mitsamt historischem Gebäudeensemble und
Stadtmuseum.
Die partizipative Installation schuf ein neues Raum-Zeit-Gefüge, das zwischen
Zwei- und Dreidimensionalität, abstrakten Formen und lesbarer Schrift
changierte. Die projizierten Worte konnten die WeilheimerInnen im Vorfeld
direkt beim Künstler einreichen. Nicht nur der gepflasterte Boden und die
architektonischen Fassaden wurden zur Leinwand umgemünzt – auch die
Betrachtenden selbst. Sie lösten sich im Farb- und Formenstrudel der
fließenden Projektion auf und ergänzten das dynamische Lichtkunstwerk um
ihren eigenen Schatten.
Über den Stadtbach in der Oberen Stadt hangelten sich unter dem Titel »Die
Sprache der Bäume« die ›animierten Malereien‹ des Weilheimer Künstlers
Frank Fischer von Baum zu Baum. Mittels dieser virtuellen Form seiner
Malereien sowie ihrem organischen sowie mystischen Formenrepertoire
entwarf er im Rahmen dieser Videoinstallation einen bewussten Gegenpol
zur alltäglichen Flut an Symbolen und Emoticons.
Im nicht weit davon entfernt gelegenen Goldschmiede-Atelier von Gottlinde
Singer sorgte die Installation »24Å~7Å~2« aus zahlreichen ineinandergesteckten
weißen Papiertüten von Marten Georg Schmid für einen atmosphärischen
Akzent. Im Zentrum der Konstruktion befand sich eine vor den Augen der
Betrachtenden versteckte Lichtquelle, die das minimalistische Gefüge sanft
und wie aus sich selbst heraus leuchten ließ.