programm festival 2018

19. und 20. Oktober 2018

outside

// Gattingerhaus Pöltnerstraße 32

László Bordos: „Flow“
Videomapping

// Marienplatz

Philipp Geist: „weilheim fades“
begehbare Licht-/Videoinstallation

videogeist.de

// Stadtmauer Mittlerer Graben

Vanessa Hafenbrädl: „Oocardium“
Videomapping

// Festivalstadel

Julian Mayer:
„aus meiner glühenden mitte“
Lichtinstallation

www.atelier-hybride.com

// Herzog-Christoph-Straße / Am Riß / Hofstraße

Thetater Anu: sechs Performances

inside

// Festivalstadel

Björn Dahlem: „M-Sphären“
Boris Petrovsky: „Die matte Kammer“

 

// Stadtmuseum

Arbeiten von Otto Piene, László Bordos, Björn Dahlem, Philipp Geist, Vanessa Hafenbrädl, Boris Petrovsky, Robert Seidel

// St. Hippolyt – St. Pölten

Boris Petrovsky:
»Die grelle Kammer«
Lichtobjekt

campus

// Pöltnerstraße 17 und Am Riß

P-Seminar Gymnasium Weilheim:
„Ich sehe was, was du nicht siehst“

// Festivalstadel

Vorträge
Künstlertalks
Treffpunkt für Führungen
Festivalshop

programmheft

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fotos & videos

Fotos und Videos zum Festival

rückblick festival 2018

von Jasmin-Bianca Hartmann,

Kunsthistorikerin M. A.

Glühlampen, Scheinwerfer, Neonröhren, LEDs, Hochleistungsprojektoren… Kunst mit Licht hat viele Gesichter. Das zweite Weilheimer Lichtkunst-Festival hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den BesucherInnen eine reiche Palette unterschiedlichster Lichtkunst-Positionen zu zeigen. László Zsolt Bordos, Björn Dahlem, Vanessa Hafenbrädl, Julian Mayer, Boris Petrovsky und Robert Seidel waren der Einladung des künstlerischen Leiters Philipp Geist gefolgt, um die Weilheimer Altstadt an den milden Herbstabenden des 19. und 20. Oktober 2018 auf unterschiedlichste Weise zum Leuchten zu bringen. White Cube? Fehlanzeige.

17 Objekte, Skulpturen, Installationen und Projektionen verteilten sich im und erstreckten sich über den öffentlichen Raum, hielten Einzug in das Weilheimer Stadtmuseum, die Kirche St. Pölten und den Lindnerstadl. An sechs weiteren Orten im Freien trafen die BesucherInnen außerdem auf Performances des Berliner Kollektivs Theater Anu, in denen physikalische und phantastische Lichtphänomene eine zentrale Rolle spielten. Auch ein Leuchtkasten des Lichtkunstpioniers Otto Piene, eine Leihgabe des Kunstmuseums Celle mit Sammlung Robert Simon, ergänzte den facettenreichen Blick auf die Kunst mit Licht. 1959 schuf der Künstler – ausschließlich mittels durchlöcherter Papp- und Metallscheiben sowie Taschenlampen – einen kinetischen Lichtraum, sein erstes »Lichtballett«. Dem (lichtdurchlässigen) Rastermotiv blieb Piene auch in seinem Spätwerk treu. Der im Stadtmuseum ausgestellte Leuchtkasten aus perforierter Aluminiumplatte mit blauer Lackfarbe aus dem Jahr 2001 spannte damit gleichsam den Bogen zurück bis zu den Anfängen der Lichtkunst, die sich erst im Laufe der 1960er Jahre durchzusetzen begann.

Diesmal beschäftigten sich auch SchülerInnen des Weilheimer Gymnasiums mit dem Thema Licht und Effekt und präsentierten die Ergebnisse im Rahmen der Begleitausstellung »Ich sehe was, was du nicht siehst!«.

Auch in diesem Jahr erstrahlte die Fassade des Lindnerstadls, der erneuten Basis des Lichtkunst-Festivals, in intensivem Rot. Die statische und dennoch markante Lichtinstallation mit dem Titel »… aus meiner glühenden Mitte« von Julian Mayer bildete wiederholt einen kontemplativen Gegenpol zum regen Austausch im Innern der ehemaligen Scheune. Als Festivalzentrum bot der Stadl in diesem Jahr nicht nur Raum für Vorträge, Führungen, Screenings und Künstlergespräche, sondern beherbergte auch eine der drei an unterschiedlichsten Orten in Weilheim installierten »Kammern« von Boris Petrovsky. Ein in sich verschlungenes, leuchtendes Geflecht aus mundgeblasenen Neonröhren, das die rohen Betonwände eines schmalen Raums in helles Licht tauchte. Mit diesem raumfüllenden Cluster-Objekt schuf Petrovsky einen begehbaren Lichtraum, den er als »Die matte Kammer« betitelte.

Zwischen den Holzbalken des luftigen Stadl-Hauptraums dehnte sich das ebenfalls raumgreifende Werk »Schwarzes Loch (M-Sphären)« von Björn Dahlem aus. Der Künstler schuf diese an ferne Galaxien erinnernde Skulptur aus verschraubten Holzlatten, Glühlampen und Leuchtstoffröhren bereits im Jahr 2007. Seine Arbeiten verweisen vielfach auf die Ansätze der Arte-Povera-Bewegung der 1970er Jahre. Ihre AnhängerInnen schufen Installationen aus ›armen‹ beziehungsweise ›ganz gewöhnlichen‹ Materialien. Auch Dahlems im Stadtmuseum präsentiertes Lichtobjekt »Mond« überführte funktionale und alltägliche Materialien wie Holz, Spiegel und analoge Leuchtmittel in eine überraschend ästhetische, sphärische Gestalt.

Im Weilheimer Stadtmuseum traten die ausgestellten Lichtarbeiten der KünstlerInnen in einen direkten Dialog mit den zeitgeschichtlichen Exponaten des Hauses. Die urige »Schlafkammer« im Dachgeschoss okkupierten die beiden Videoinstallationen »Antipod« und »Kuh« der Künstlerin Vanessa Hafenbrädl. Infrarotaufnahmen von der bayerischen Landschaft waren mit türkischen Klängen unterlegt, Dießener Kühe wurden zur Projektionsfläche umgemünzt und zeigten sich in immer neuem Gewand. Hafenbrädl geht es in vielen ihrer Arbeiten um die zunehmend wichtige und wesentliche Verbindung von Heimat und Fremde.

Den gegenüberliegenden Ausstellungsraum nahm Robert Seidels Videoprojektion »Esmark – Husby-klit Bk.« ein. Diese Echtzeitaufnahme Seidels während einer Liveperformance mit der Band Esmark entstand bereits 2017. Sie zeigt weder Menschen oder Gegenstände, sondern abstrakte, sich zur experimentellen Musik bewegende Strukturgefüge. Schaukelpferd, Kerzenleuchter und Spinnrad wurden als Projektionsflächen miteinbezogen und durchbrachen die Oberfläche der fließenden Projektion mit ihrem Schattenwurf.

Im »Skulpturensaal«, eine Etage tiefer, breiteten sich grelle, bunte Cluster-Objekte aus Neon zwischen den Heimatschätzen der Vergangenheit aus.

»Die Wunderkammer« von Boris Petrovsky ließ an städtische Leuchtreklamen denken, lieferte aber dennoch keine eindeutigen oder lesbaren Informationen. Diese zweite »Kammer« des Künstlers bot sich den Betrachtenden vielmehr als ein Kuriositätenkabinett aus Skulpturen, religiösem Brauchtum und elektrischem Licht dar.

Im Eingangsbereich des Stadtmuseums zeigte Philipp Geist seine bis dato kleinsten Lichtkunstwerke: Projektionen auf eine Pusteblume und eine Magnolienblüte. László Zsolt Bordos‘ »Light Frames«, drei minimalistische Reliefbilder, änderten ihre zunächst starr anmutenden geometrischen Konturen je nach künstlichem Lichteinfall. Die in den Rahmen versteckten LEDs folgten einer programmierten Choreographie, sodass sich die Oberflächen der drei Licht- und Schattenbilder in Echtzeit vor den Augen der BesucherInnen verwandelten.

Im Außenraum verlieh die audiovisuelle 3D-Videomapping-Projektion »Flow«, ebenfalls von László Zsolt Bordos, der Fassade des Gattingerhauses von Sekunde zu Sekunde eine neue Gestalt. Mal zog die Projektion die üppige Lüftlmalerei von 1951 räumlich nach vorne, dann wiederum durchbrachen abstrakte Liniengefüge und Farbflächen diese räumliche Illusion. Untermalt wurde die Arbeit durch die kraftvollen Klänge des Sound-Artisten Lukas Taido, der in diesem Jahr auch die Musik für die Licht-Video-Installation »weilheim fades« von Philipp Geist entworfen hatte.

In Geists Projektion auf dem Marienplatz konnten die Betrachtenden abermals vollends in die Lichtkunst eintauchen. Farben, Formen und Schriftzüge legten sich wie eine zweite Haut über die Fassaden der umliegenden Gebäude, über den Boden und über die Körper der FestivalbesucherInnen. Neben ortstypischen Begriffen wanderten digital bearbeitete Porträts über die umliegenden Wände oder zeigten sich auf den künstlich erzeugten Nebelfeldern. Die Vorlage hierfür bildeten vom Künstler im Weilheimer Stadtmuseum auf Gemälden und Zeichnungen entdeckte historische Persönlichkeiten, die nun als virtuell verfremdete Großformate im Außenraum sichtbar waren.

Nahezu mystisch-märchenhaft mutete das Videomapping von Vanessa Hafenbrädl auf den Schwedenturm an, einem erhaltenen Abschnitt der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert. In ihrer Arbeit mit dem Titel »Oocardium« verwob die Künstlerin virtuelle Computeranimationen mit realen Filmaufnahmen. Auf der Video-Oberfläche tummelten sich vergrößerte Algenformationen, Tänzerinnen und bizarre mythologische Mischwesen wie Nixen und Necken. Die Motiv-Idee entstand während Hafenbrädls Recherche im Stadtmuseum: Die Algen-Gattung Oocardium gilt als wesentlicher Mitproduzent des Naturgesteins Kalktuff, der auch den Schwedenturm, die übrigen erhaltenen Stadtmauerelemente und den Lindnerstadl ziert.

Das Phantastische setzte sich in den Performances von Theater Anu fort. Optische Gesetze des Lichts, frühe Jahrmarkttricks, Formen des Schattentheaters und eine lichtaffine Maltechnik waren Gegenstand der sechs Aufführungen. In »Redonas Wunderbilder« wurde eine populäre Illuminationsform der ersten Stunde zu neuem Leben erweckt, das Polyorama Panoptique. Ein kleiner Guckkasten aus dem 19. Jahrhundert, der das eingesteckte (semitransparente) Bild je nach Lichteinfall verändern konnte. Auch Schausteller bedienten sich dieser optisch reizvollen Technik und verwandelten speziell bedruckte oder gemalte Bilder mittels künstlicher Lichtregie vor den Augen des Publikums. Aus einer Winteransicht entwickelte sich plötzlich eine Sommerlandschaft, eine taghelle Stadtansicht wich einer nächtlichen Szenerie voller leuchtender Schaufenster. Auch Caspar David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel widmeten sich ähnlichen Formen des Wechselbildes.

»Die grelle Kammer« von Boris Petrovsky in der Kirche St. Pölten stellte sich, trotz ihres Titels, überraschend gegen all die zuvor gemachten – leuchtenden – Erfahrungen. Petrovskys Kubus, bestehend aus sechs tiefschwarzen Quadraten, schwebte wie eine Art schwarzes Loch mitten im Kirchenraum. Auf Grund seiner reflexions- und schattenlosen Oberfläche verwehrte sich das eigentlich voluminöse Werk jeder Räumlichkeit. Gleißendes Licht befand sich in Form von sechs LED-Strahlern mit einer Leistung von je 500 Watt lediglich im Innern dieser ›Black Box‹, hatte jedoch keinerlei Möglichkeit nach außen zu dringen. Die Betrachtenden sahen sich einem umgekehrten Lichtkunstwerk gegenüber, vielleicht auch einem kritischen Kommentar zur nahezu uneingeschränkten Transparenz und Sichtbarkeit
des 21. Jahrhunderts.

Kunst mit Licht ist narrativ, gegenstandslos, flächig, räumlich, illusionistisch, minimalistisch, monochrom, reich an Farben und Formen, ortsspezifisch, grell, atmosphärisch, kritisch, phantastisch, performativ, interaktiv, kontemplativ

… An den beiden Abenden des zweiten Weilheimer Lichtkunst-Festivals wurde die Präsenz und Vielfalt dieser Kunstform erneut zu einem ganzheitlichen Erlebnis für tausende Besucherinnen und Besucher.